Bei der achtsamen Meditation geht es darum, seinen Geist von seinem Körper zu lösen. Ihn frei von Negativem zu machen. Und seine innere Zufriedenheit zu finden. Das muss trainiert werden. 5 Stunden am Tag. Heute erkläre ich wie ich meditieren in Thailand lerne.
Wir haben also das Frühstück hinter uns gelassen. Die erste Mediationsübung des Tages startet erst um 8 Uhr, also haben wir noch etwa eine Stunde Freizeit. Zur Verdauung bin ich heute früh zu den drei Höhlen des Waldklosters gelaufen. Daher hat sie auch ihren Namen: Wat Pa Tam (Cave) Wua (Wald) Forest Monastery.
Ich laufe aus der Dhamma Hall über die kleine Holzbrücke auf die andere Seite des Flusses. Hier sind auch die Mönchsunterkünfte und zwei weitere Gebetshallen. Ein ganz süßer, rundlicher Mönch zeigt mir den Weg. Ich soll rechts rum, die Stufen hinauf und dann links entlang nach unten.
In der ersten Höhle stehen einige Statuen, die die Erleuchtung des Buddhas darstellen sollen (wow, habe ich schon viel gelernt, das alleine zu erkennen). Ein paar Schritte weiter ist ein kleiner Schrein in den Berg bzw. in die Höhle hineingebaut. Ein fleißiger Schüler sitzt sogar da und meditiert – meditieren in Thailand at its best. Und noch eine Höhle weiter kommt eine tatsächliche Höhle. Man kann hier richtig in den Berg hineingehen. Drin ist es stockduster und riecht nach Schweiß und Feuchtigkeit.
Meditieren in Thailand: erste Übung des Tages
Um 7.45 Uhr, pünktlich mit dem Gong und dem Ruf Puis, sitze ich auf meinem Stammplatz in der Dhamma Hall. Direkt in der ersten Reihe der Frauen hinter den Männern. Bevor es mit dem Meditieren los geht, hält immer ein Mönch eine Art Ted Talk über das Leben und die Meditation. Vormittags ist immer Toom da. Er ist jung, vielleicht Mitte 20, trägt eine stylische Brille, die Haare sind kurz geschoren. Er strahlt innere Ruhe und eine unfassbare Sympathie aus. Toom wird uns durch die nächsten zwei Stunden begleiten.
Begrüßungsritual mit der achtsamen Verbeugung
Bevor wir mit dem Meditieren in Thailand anfangen, huldigen wir Buddha in dem wir „Homage to the triple gems“ singen und uns drei Mal verbeugen. Dann zeigen wir noch einmal unsere Achtsamkeit in einer dreifachen Verbeugung. Dabei falten wir unsere Hände vor der Brust zusammen. Aber so, dass die Handflächen ausgehöhlt sind. Das symbolisiert die Reinheit der Lotusblume. Wir sagen: „Anchalii“. Dann führen wir unsere Lotusblume auf Stirnhöhe, um sie den drei Gems zu überreichen: „Wan-tha“. Dann verbeugen wir uns und platzieren die Hände so auf dem Boden, dass die Innenseiten der Arme unsere Außenseiten der Beine berühren: „A-phi-want“.
Ted Talk von Mönchen über das Leben, Meditation und Buddhismus
Nach diesem Begrüßungsritual folgt mein liebster Teil des Tages: Toom bzw. am Nachmittag ein anderer Mönch, hält einen Ted Talk über ein bestimmtes Thema aus dem Lehrreich der Meditation. Dabei kommen spontan so tolle Weisheiten aus ihm raus, die jeder mit nach Hause nehmen sollte. Wie schade, dass ich es nicht einfach aufnehmen kann. Aber in meinen Texten versuche ich alles ein wenig wiederzugeben.
Erste Meditationsübung: gehende Meditation
Nach 20 Minuten kommt die erste Meditationsübung: die gehende Meditation. Das ist meine zweit liebste Aktivität. Meditieren im Sitzen und Gehen fällt mir unfassbar schwer. Oft nicke ich weg. Das kann im Gehen nicht passieren.
Alle weißen Gänse laufen im Gleichmarsch Toom hinterher durch die wunderschöne Anlage der Monastery. Am liebsten mit nackten Füßen auf den noch kalten Betonweg. Auf dem Gras. Ich spüre die Natur unter meinen Füßen. In Vogelgezwitscher und Grillengezierpe um mich herum. Ich spüre sie in meinem Atem. Und durch die leichte Brise auf meiner Haut.
Heute dann schon eine Weiterentwicklung bei meinem Meditieren in Thailand. Gestern bin ich noch stark abgeschweift und mir kamen immer wieder neue Gedanken. Immer nur kurz, aber oft. Dabei absurdeste Dinge, wie das Gesicht meines Stiefvaters oder Bisasam von Pokémon. Heute habe ich es geschafft, mein Mantra nicht im Rhythmus meines Atems aufzusagen, sondern so wie es im Buche steht, mit dem Aufsetzen meines linken und rechten Fußes: „Bud“ – „Dho“.
Das ist gar nicht so leicht, weil der Kopf um zwei Ecken denken muss. So wie wenn man den linken Arm hoch und runter bewegen soll, den rechten aber rechts und links. Oder so. Das geschafft zu haben, gibt mir schon in wenig das Gefühl, dass sich mein Geist vom Körper lösen kann.
Jetzt muss ich dann noch aufnehmen, wie sich mein Körper fühlt, wenn äußere Einflüsse auf ihn einwirken. Morgen vielleicht.
Zweite Meditationsübung: sitzende Meditation
Wieder zurück in der Dhamma Hall, folgt die sitzende Meditation. Hier soll man auch wieder auf „Bud“ einatmen und auf „Doh“ ausatmen. Dabei sich seinen Körper bewusst machen, also von Augen über Nase, Mund, Kinn, Nacken, Rücken, linke/rechte Hüfte und so weiter gehen. Meditiert man so, ist der Körper das „Objekt“ der Meditation.
Tja, kaum habe ich die Augen ein paar Minuten geschlossen, schon fühle ich mich todesmüde. Immer wieder habe ich das Gefühl zu fallen. So wie man es hat, kurz bevor man einschläft. Ich versuche die Augen offen zu halten, aber meine Lieder werden schwerer und schwerer. Nach 15 Minuten schaue ich zum ersten Mal auf die Uhr. Mist, noch einmal 20 Minuten weiterkämpfen. Meditieren in Thailand ist gar nicht so einfach.
Dritte Meditationsübung: liegende Meditation
Und dann kommt mein persönlicher Endgegner: die liegende Meditation. Einfach auf dem Boden liegen und meditieren. Dabei sollen wir einfach immer unseren Körper in kreisförmigen Runden abgehen. Linker Fuß, Knie, Hüfte, Schulter, Kopf, rechte Schulter und so weiter. So weit komme ich gar nicht und bin schon weggedöst. In der zweiten Meditations-Übungs-Aktivität höre ich zwei Leute schnarchen. Gut, dass es nicht nur mir so geht.
Kleine Freizeit bis zum Mittagessen
Zum Abschluss der Meditation verbeugen wir uns wieder drei Mal. Toom plaudert noch aus seinem Weisheitenkasten und dann dürfen wir ihm Fragen stellen. Dabei bleiben immer nur ein paar Leute sitzen. Es ist fast noch spannender als der Ted Talk.
Nach dieser ersten Meditationsübung haben wir wieder etwa eine Stunde Freizeit. In dieser Pause lese ich immer was. Hier gibt es eine kleine Bibliothek mit vielen Büchern zu Buddhismus und Meditation.
Food Offering an die Mönche und die letzte Mahlzeit des Tages
Um 10.30 Uhr gibt es dann das Food Offering an die Mönche zur Mittagszeit. Dieses Mal sitzen alle sechs oben auf ihrem Podest. Wieder die große silberne Schüssel vor ihnen, worin sie das Essen empfangen. Vorne links, ganz am Anfang, steht auf einem Teppich ihr und unser Mittagessen in großen Schüsseln und Töpfen bereit.
Food Offering als Gemeinschaftsarbeit
Die männlichen Meditationsschüler reihen sich wieder nebeneinander vor den Mönchen auf. Wir Frauen dürfen das Essen nur direkt dem Abt (dem Obermönch) überreichen. Wir knien dieses Mal zu dritt in einer Reihe und reihen uns so hintereinander auf.
Ich bin dran. Ich knie ganz links in meiner Dreiergruppe, muss also:
- den Topf von dem Teppich nehmen,
- ihn in unsere Mitte führen und
- zusammen mit den anderen beiden ihn über unseren Kopf hoch zu dem Mönch reichen.
Dieser empfängt ihn lachend und grinsend und irgendwas auf Englisch sagend. Er reicht ihn dann weiter nach links zu dem ersten, männlichen Meditationsschüler. Dieser reicht den Topf dann weiter an den Mönch vor ihn, der zweite Schüler reicht ihn weiter an den zweiten Mönch und so weiter.
Die letzte Mahlzeit des Tages
Ich verlasse meinen Platz vor dem Mönch und reihe mich hinter den Männern auf. Wenn sich jeder Mönch etwas genommen hat und seine silberen Schüssel voll ist, müssen wir nämlich das ganze Essen weiter auf die lange Tafel im Essens-Saal bringen. Und das erfolgt dann auch in der Reihe, wobei jeder ein Teil zum Hintermann reicht.
Jeden Tag gibt es ein bisschen etwas anderes. Im Grunde ist es aber immer eine riesige Schüssel mit Reis, Curry, Tofu und Bohnen. Hier mal eine Süßkartoffel, da mal Nudeln. Als Nachtisch gibt es kleine Süßigkeiten aus Kokosnuss und Obst. Alles ist einfach super lecker.
Die zweite Meditationsübung und ein Durchbruch
Nach dem Mittagessen ist wieder eine Stunde Pause.
Um 13 Uhr geht es dann weiter mit der zweiten Meditationsübung. Wieder zwei Stunden im gehen, sitzen und liegen meditieren. Dieses Mal führt ein anderer Mönch durch die Mediation und spricht seinen Ted Talk.
Heute habe ich auch das Gefühl, mit meinem Geist richtig weit gekommen zu sein. Denn es ist etwas Komisches passiert. Ich sitze im Lotussitz. Wieder das Gefühl vom Fallen. Der Kampf gegen die Müdigkeit. Irgendwann gebe ich ihn auf, döse weg. Immer wieder schießen mir Episoden von Geschichten durch den Kopf. Keine aktiven Gedanken. Es fühlt sich an wie Träume. So wie, wenn ich abends im Bett liege, schon halb eingeschlafen bin und Heiko komische Sachen – Träume – erzähle.
Und plötzlich wird mein Geist ganz klar und ich denke: „My mind is thinking.“ Und ich bin hellwach. Mein ganzer Kopf prickelt. So als würde mein Geist tatsächlich ein paar Sekunden von meinem Körper gelöst worden.
Ob sich so wirklich die Trennung von Mind und Body anfühlt? Oder war das nur ein weiterer Traum kurz vorm Erwachen? So oder so. Klingt ziemlich komisch, oder?
Das Wichtiges, das ich heute beim Meditieren in Thailand gelernt habe
1. Die Meditation kennt zwei Zustände des Minds: thinking und knowing
Thinking bedeutet, dass man mit den Gedanken an die Vergangenheit oder die Zukunft denkt. Man verliert sich in Gedanken, Tagträumen, Erinnerungen.
Knowing bedeutet, der Mind ist sich bewusst über das hier und jetzt. Er ist sich bewusst über seinen Körper, wo er sich in diesem Moment befindet, wie sich das Bein auf dem Boden anfühlt, wohin der Arm zeigt.
Man kann nie in beiden Zuständen gleichzeitig sein. Es ist ganz normal, hin und her zu springen. Sobald man sich aber in Gedanken verliert, sich dem bewusst macht und wieder in die Gegenwart, in das „Knowing“ springt, dann ist man „mindful“ und auf dem besten Weg zum „Knower“. Der, der seine Gefühle von außen betrachten und lenken kann.
2. Die größte Tugend eines Mönches ist die Bescheidenheit
Je höher an Status, je mehr Reichtum und Anerkennung ein Mönch besitzt, desto bescheidener sollte er sein. Genauso soll man auch nie über seine guten Taten sprechen. Nur seine Aktionen zeigen, wie gut ein Mensch wirklich ist.
Dazu gehört auch das Kredo: Geben, ohne Erwartungen. Nur ein herzensguter Mensch, ein achtsamer Mensch, denkt immer erst an andere und gibt, ohne etwas als Gegenleistung zu erwarten.
Ein Beispiel: Wenn das Mittagessen für uns eröffnet ist, gibt es zwei Menschen. Solche, die direkt hinlaufen, um das Beste für sich zu bekommen. Und solche, die zum Schluss gehen, um den anderen den Vortritt zu lassen. Letzteres sind diese herzensguten Menschen.
Ups, erwischt. Buffets lassen mein Herz vor Aufgeregtheit nicht das Beste zu bekommen, schneller schlagen. Aber der Mönch beruhigt uns: Auch das kann man lernen.
Und noch ein sehr schönes abschließendes Wort von Toom:
Just be you. Stay human. No matter if people like you or not. Be true to yourself.
Mönch Toom